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Beschlagnahme von Immobilien zur Sicherung der Unterbringung von Asylbewerbern

Datum: 13. Oktober 2015
Real Estate Alert
By: Dr. Christian Hullmann, Sebastian Polster, Dr. Christian Hullmann

Überblick
Unter dem Schlagwort der „Zwangsvermietung“ hat sich eine breite Diskussion über die öffentliche Inanspruchnahme privater Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen entwickelt. Angesichts des nahenden Winters und in Ermangelung verfügbaren Wohnraums insbesondere in Ballungsgebieten rückt die Beschlagnahme leerstehender Wohn- und Gewerbeimmobilien in den Fokus. Dieser Alert gibt einen kurzen Überblick über die rechtlichen Voraussetzungen der Inanspruchnahme privater Immobilien durch den Staat im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylbewerbern.

Die steigende Zahl Schutz suchender Menschen in Deutschland stellt Länder und Kommunen vor die Herausforderung, geeignete Erstaufnahme- und Folgeeinrichtungen bereitzustellen. Für die Dauer des Asylverfahrens sind sie verpflichtet, die Unterbringung der Asylbewerber und Asylberechtigten zu gewährleisten. Der nahende Winter macht es zudem erforderlich, nicht winterfeste Notunterbringungen kurzfristig zu räumen, um deren Bewohner vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen. Da in vielen Kommunen die Möglichkeit einer Unterbringung in staatlichen Einrichtungen nicht vorhanden oder erschöpft ist, schafft die öffentliche Hand verstärkt neue Unterbringungskapazitäten durch den Rückgriff auf private Immobilien. Allein in Berlin wurden zuletzt vier große Gewerberaumimmobilien beschlagnahmt, um sie als Erstaufnahmeeinrichtungen oder für die anschließende Unterbringung von Asylbewerbern zu nutzen.

Staatlicher Zugriff auf private Immobilien: klassisches Polizeirecht
Der staatliche Zugriff auf das Immobilieneigentum Privater zur Abwehr drohender Obdachlosigkeit ist rechtlich gesehen kein neues Phänomen. Es handelt sich vielmehr um ein klassisches Instrument des Polizeirechts, das bereits in der Vergangenheit vielfach angewendet wurde, um Menschen in Not unterzubringen. Behörden greifen hierzu auf die sogenannte Generalklausel in den Polizeigesetzen der Länder zurück. Nach § 17 Abs. 1 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin (ASOG) etwa können die Ordnungsbehörden und die Polizei – soweit nicht speziellere Normen einschlägig sind – die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Fehlende Unterkünfte für Schutzsuchende stellen dabei grundsätzlich eine Gefahr für deren Leib und Leben und damit eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne dar. Zwar sind die Eigentümer leerstehender Wohn- und Gewerbeimmobilien für diese Gefahr nicht verantwortlich, ihre Inanspruchnahme ist aber im Rahmen des sogenannten polizeilichen Notstandes möglich, sofern andere Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig ergriffen werden können.

Damit stellt sich die zwangsweise Inanspruchnahme privaten Wohn- oder Gewerberaums gewissermaßen als letztes Mittel dar. Behörden müssen daher zuvor alle anderen Möglichkeiten im Rahmen des Zumutbaren ausschöpfen (vgl. OVG Schleswig, NJW 1993, 413, 414). Dazu sind sie gehalten, die in ihrem Eigentum stehenden geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen oder Mietverträge mit privaten Eigentümern zu schließen. Hier stellen sich im Einzelfall manche rechtlichen Fragen, etwa ob der Staat eine Anmietung von Unterkünften „um jeden Preis“ vornehmen muss oder wie es etwa um die Beschlagnahme von Schulsporthallen steht, wenn die Folge der Nutzung als Unterkunft der Ausfall von Schulunterricht ist.

Im Ergebnis sind die rechtlichen Hürden im Einzelfall aber durchaus überwindbar, so dass sich für betroffene Eigentümer die Frage nach einer Entschädigung für die zwangsweise Inanspruchnahme stellen mag. Hier sehen die Polizeigesetze der Länder Entschädigungsansprüche vor, wonach im Regelfall der gewöhnliche Verdienst oder ein gewöhnliches Nutzungsentgelt zu zahlen sind. Auch Vermögensschäden durch Abnutzung oder Beschädigungen sind zu ersetzen. Gleiches gilt für behördlicherseits durchgeführte Umbauten, sofern hiermit eine Wertminderung der Immobilie verbunden ist. 

In zeitlicher Hinsicht darf privater Wohn- oder Gewerberaum nur solange in Anspruch genommen werden, wie es die Abwehr der Gefahr erfordert. Hieraus folgt, dass sich die Behörde auch während der Inanspruchnahme laufend um Alternativen bemühen muss.

Schaffung neuer Rechtsgrundlagen: das Beispiel Hamburg
Da die vorstehend beschriebene Rechtslage letztlich auf die Lösung von Einzelfällen zugeschnitten ist, gehen einzelne Bundesländer mit der Schaffung neuer Rechtsgrundlagen einen Schritt weiter. In Hamburg etwa ist jüngst ein „Gesetz zur Sicherung der Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen“ in Kraft getreten. Nach der Gesetzesbegründung zielen die Regelungen darauf ab, ungenutzte gewerbliche Hallen und ähnliche Gebäude, die in sehr kurzer Zeit für die Unterbringung einer großen Anzahl von Menschen geeignet sind oder dafür hergerichtet werden können, leichter in Anspruch nehmen zu können. Hierzu ist unter anderem vorgesehen, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Beschlagnahme keine aufschiebende Wirkung haben sollen, so dass die entsprechenden staatlichen Maßnahmen sofort vollziehbar sind. Eigentümer haben nach dem Gesetz zudem bauliche Umbaumaßnahmen an ihren Immobilien zu dulden, soweit diese im Interesse der Unterzubringenden erforderlich sind oder durch sie eine Unterbringung überhaupt erst ermöglicht wird. Hierzu gewährt das Gesetz dem in Anspruch genommenen Eigentümer einen Entschädigungsanspruch, von dem auch etwaige Rückbaumaßnahmen ausdrücklich umfasst sind.

Inwieweit andere Bundesländer dem Hamburger Beispiel folgen werden, um schnell und effizient auf Immobilien zugreifen zu können, bleibt abzuwarten. In Berlin und Bremen wird auf politischer Ebene über vergleichbare Regelungen beraten. Auf Bundesebene sind mit dem „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“ bereits im November 2014 Regelungen in Kraft getreten, die eine Berücksichtigung der Belange von Flüchtlingen im Rahmen der Bauleitplanung – etwa bei der Gewährung von Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes – ermöglichen.

Die gesetzgeberischen Maßnahmen nach dem Beispiel Hamburgs dürften in erster Linie den Zweck verfolgen, Eigentümer privater Immobilien zum Abschluss entsprechender Verträge über die Nutzung ihrer Immobilien zu bewegen. So hofft Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) Presseberichten zufolge, dass das Gesetz „niemals Anwendung“ finden werde.

Im Einzelfall werden sie entscheiden müssen, ob sie eine vertragliche Einigung mit der Behörde wollen oder nicht. Sollte eine Einigung nicht in Betracht kommen, können sich die Eigentümer bei Vorliegen entsprechender Erfolgsaussichten gegen die Beschlagnahme gerichtlich zur Wehr setzen.

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