Skip to Main Content

Lizenzvertrag lochen und abheften? Die neue Pflicht zur proaktiven Unterrichtung bei Nutzung von Urheberrechten

Datum: 1. März 2023
Ein Alert aus dem Urheberrecht

Neue gesetzliche Pflicht zur proaktiven Unterrichtung für Nutzer von Urheberrechten – erstes Reporting bis 7. Juni 2023 erforderlich.

Hintergrund

Egal ob Online-Portal oder Traditionsunternehmen:  Wer kreative Inhalte nutzt, sollte demnächst seine Kontaktpflege mit den jeweiligen Urhebern intensivieren. Wer bisher dachte, erfolgreich verhandelte Lizenzverträge einfach lochen und abheften zu können, wird nun eines Besseren belehrt.

Gemäß § 32d UrhG müssen Vertragspartner von Urhebern (als Lizenznehmer) mindestens einmal pro Jahr Auskunft über den Umfang der Nutzung der lizenzierten Werke und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile erteilen, wobei das erste Reporting bis zum 7. Juni 2023 zu erfolgen hat. Diese Pflicht zur proaktiven Unterrichtung dient der Transparenz gegenüber den Urhebern. Darüber hinaus sollen die Urheber konkret in die Lage versetzt werden, die Erfolgschancen eines etwaigen Anspruchs auf Nachvergütung gemäß § 32a UrhG zu bewerten. 

Einen entsprechenden Anspruch des Urhebers sah § 32d UrhG bereits seit dem Jahr 2016 vor, allerdings musste der Urheber diese Auskunft ausdrücklich verlangen – auf die Gefahr hin, dass diese Anfragen vom Nutzer als lästig empfunden werden oder sogar zu Auslistungen führen. In Umsetzung von Art. 19 der Richtlinie (EU) 2019/790 („DSM-Richtlinie“) wurde diese Regelung noch einmal verschärft und in eine proaktive jährliche Unterrichtungspflicht des Nutzers umgewandelt. 

Wen trifft die neue Unterrichtungspflicht?

Die Pflicht zur proaktiven Unterrichtung des § 32d UrhG gilt grundsätzlich für jeden Nutzer von urheberrechtlich geschützten Werken, der eine entgeltliche Lizenz direkt vom Urheber erworben hat. 

Urheberrechtlich geschützte Werke finden sich typischerweise in den Bereichen Literatur, Wissenschaft und Kunst. So können insbesondere Verträge über die Nutzung von Fotos, Designs, Logos, Texten, Bauplänen und Musik von der Unterrichtungspflicht erfasst sein.

Zu beachten ist, dass Nutzer, die nicht direkt mit dem Urheber kontrahieren, gerade nicht der Pflicht zur proaktiven Unterrichtung des § 32d UrhG unterliegen. Wer das Werk „weiter hinten“ in der Lizenzkette, also hinter dem Vertragspartner des Urhebers nutzt, muss dem Urheber lediglich nach entsprechender Aufforderung gemäß den Bestimmungen des § 32e UrhG Auskunft erteilen, wenn der Vertragspartner des Urhebers seiner Unterrichtungspflicht nicht bzw. nicht hinreichend nachgekommen ist. Um nicht in den Anwendungsbereich der Pflicht zur proaktiven Unterrichtung zu fallen, gehen manche Nutzer inzwischen dazu über, die entsprechenden Nutzungsrechte unter Einschaltung eines Lizenzmittlers (sog. middle man) zu lizenzieren. Das ist bereits dann der Fall, wenn der Nutzer die Rechte von einer GmbH erwirbt, bei der die Urheber angestellt sind.

Die Pflicht zur proaktiven Unterrichtung besteht gemäß § 32d UrhG übrigens auch gegenüber ausübenden Künstlern (also z.B. Schauspielern oder Musikinterpreten), die ihre Leistungen entgeltlich direkt an den Nutzer lizenzieren. Die nachstehenden Ausführungen finden insoweit entsprechende Anwendung. 

Gibt es Ausnahmen von der Pflicht zur proaktiven Unterrichtung?

Ja, Ausnahmen bestehen insbesondere in den folgenden Fällen:
 

  1. Hat der Urheber einen lediglich nachrangigen Beitrag zu einem Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung erbracht, besteht keine Pflicht zur proaktiven Unterrichtung (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG). Eine Rückausnahme davon besteht dann, wenn der Urheber klare Anhaltspunkte dafür vorlegt, dass ggf. eine Vertragsanpassung in einem sog. „Bestseller-Fall“ in Betracht kommt. Nachrangig ist ein Beitrag, wenn er wenig „prägend“ für den Gesamteindruck eines Werkes oder die Beschaffenheit eines Produktes oder einer Dienstleistung ist. Beispiel: Ein Statist in einem Film leistet in der Regel keinen prägenden Beitrag, der Darsteller einer Nebenrolle hingegen schon. Wichtig: Es soll gerade nicht um eine qualitative Bewertung gehen, sondern um die Frage, ob der Beitrag im Verhältnis zur Gesamtwertschöpfung, die durch das Werk erzielt wird, nur einen sehr geringen Beitrag leistet.
  2. Wenn die Inanspruchnahme aus anderen Gründen unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn der Aufwand für die Auskunft außer Verhältnis zu den Einnahmen aus der Werknutzung stünde, besteht ebenfalls keine Pflicht zur proaktiven Unterrichtung (§ 32d Abs. 2 Nr. 2 UrhG). Auch wenn diese Ausnahme von der Rechtsprechung noch weiter geschärft werden muss, werden wohl insbesondere Werke, mit denen der Nutzer keine oder nur sehr geringe Einnahmen erzielt, von dieser Ausnahme erfasst sein.
  3. Die Pflicht zur proaktiven Unterrichtung gilt auch nicht gegenüber Urhebern von Computerprogrammen (§ 69a Abs. 5 UrhG).

Gilt die Pflicht zur proaktiven Unterrichtung auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen?

Noch nicht abschließend geklärt ist, ob bzw. in welchem Umfang die Pflicht zur proaktiven Unterrichtung auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen besteht. In diesem Zusammenhang wird häufig danach differenziert, ob die vom Arbeitnehmer erstellten Werke auf eine umfassende Verwertung „nach außen“ durch den Arbeitgeber angelegt sind. Wenn das nicht der Fall ist, wie bei den typischerweise nicht zur Kreativbranche gehörenden Abteilungen eines Unternehmens (z.B. Vertrieb, Marketing und Rechtsabteilung) wird eine solche Verwertungsabsicht verneint, obwohl auch diese im Einzelfall durchaus urheberrechtlich schutzfähige Werke erstellen können. Bei solchen primär „nach innen“ gerichteten Arbeitsleistungen wird häufig argumentiert, dass diese bereits vom Arbeitslohn abgegolten seien.

Ab wann gilt die Unterrichtungspflicht?

Die Pflicht zur proaktiven Unterrichtung besteht bereits seit dem 7. Juni 2022. Da die Auskunft jedoch erstmals ein Jahr nach Inkrafttreten des § 32d UrhG geschuldet ist, muss die erste Auskunft erst bis zum 7. Juni 2023 erteilt werden.

Von der Unterrichtungspflicht sind auch Verträge erfasst, die vor der Einführung der gesetzlichen Unterrichtungspflicht abgeschlossen wurden, und zwar grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung der Rückwirkung. Einzig im Filmbereich gilt, dass bei Verträgen, die vor dem 1. Januar 2008 geschlossen worden sind, keine Pflicht zur proaktiven Unterrichtung besteht, sondern Auskunft nur auf Verlangen des Urhebers zu erteilen ist.

Wie oft muss der Nutzer Auskunft erteilen?

Der Nutzer muss den Urheber mindestens einmal jährlich unterrichten, wobei die Auskunft erstmals ein Jahr nach Beginn der Werknutzung und nur für die Zeit der Werknutzung zu erteilen ist.

Welchen Inhalt muss die Auskunft haben?

Der Nutzer muss Auskunft über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile erteilen. Unter den „Umfang der Werknutzung“ fallen sämtliche Nutzungsvorgänge und Nutzungsarten. Geschuldet sind insbesondere Angaben zu (Sub-)Lizenzierungen, zur Anzahl der verkauften Exemplare, Aufführen oder Wiederholungssendungen etc. Die „hieraus gezogenen Erträge und Vorteile“ umfassen insbesondere Lizenzgebühren, Verkaufserlöse, Werbeeinnahmen etc. Die Auskunft erfolgt auf der Grundlage der Informationen, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes üblicherweise vorhanden sind.

Über Namen und Anschriften der Unterlizenznehmer eines Nutzers muss dieser nur auf Verlangen des Urhebers Auskunft erteilen.

Welche Konsequenzen drohen bei Nichtbeachtung der Unterrichtungspflicht?

Gemäß § 36d UrhG können Urhebervereinigungen vom Werknutzer Unterlassung verlangen, wenn der Nutzer Urhebern in mehreren gleich oder ähnlich gelagerten Fällen Auskünfte nach § 32d UrhG oder § 32e UrhG nicht erteilt. Unabhängig davon steht es den Urhebern auch frei, die Auskunftsplicht des Nutzers individuell durchzusetzen. Bei der Folgenanalyse des Pflichtverstoßes ist auch der potentielle Imageschaden, der durch eine außergerichtliche oder gar gerichtliche Auseinandersetzung mit Urhebervereinigungen hervorgerufen werden kann, zu berücksichtigen.

Kann von den gesetzlichen Vorgaben zur Unterrichtungspflicht vertraglich abgewichen werden?

Grundsätzlich ist eine solche vertragliche Abweichung nicht möglich. Eine Ausnahme gilt nur für Vereinbarungen, die auf einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36 UrhG) oder einem Tarifvertrag beruhen.

Welche konkreten Schritte sind für Unternehmen jetzt erforderlich?

Angesichts des bevorstehenden „Fristablaufs“ am 7. Juni 2023 sollten Unternehmen unverzüglich folgende Maßnahmen einleiten:

  1. Zunächst sollte sich das Unternehmen einen Überblick verschaffen, in welchem Umfang direkt vom Urheber lizenzierte Werke genutzt werden.
  2. In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, ob etwaige Ausnahmen von der Unterrichtungspflicht einschlägig sind.
  3. Sollte eine Unterrichtungspflicht tatsächlich bestehen, muss das Unternehmen die Art und Weise sowie den Umfang der Auskunftserteilung festlegen. In diesem Zusammenhang sollte das Unternehmen auch überlegen, ob die Auskunftserteilung von dem vorherigen Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung abhängig gemacht werden kann (vgl. dazu auch ErwGr 76 S. 3 der DSM-RL).
  4. Aufgrund der jährlich wiederkehrenden Reporting-Verpflichtung kann sich unter Umständen auch die Einrichtung eines automatisierten Reportingsystems anbieten.
Return to top of page

Email Disclaimer

We welcome your email, but please understand that if you are not already a client of K&L Gates LLP, we cannot represent you until we confirm that doing so would not create a conflict of interest and is otherwise consistent with the policies of our firm. Accordingly, please do not include any confidential information until we verify that the firm is in a position to represent you and our engagement is confirmed in a letter. Prior to that time, there is no assurance that information you send us will be maintained as confidential. Thank you for your consideration.

Accept Cancel