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Vom zahnlosen Tiger zum angriffslustigen Raubtier? Die Auswirkungen der Investitionskontrolle nach der neuen Außenwirtschaftsverordnung - ein Überblick

Datum: 24. September 2018
K&L Gates Corportate/M&A Alert

Kuka, Aixtron, Osram Licht (Ledvance) - alles namhafte Beispiele für erfolgte beziehungsweise in letzter Minute gescheiterte Übernahmen deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren.

Die in Medien und Politik rege diskutierten Übernahmen stellen keine Einzelfälle dar. Um Übernahmen deutscher Unternehmen durch ausländische Investoren zu überprüfen und im Einzelfall sogar zu untersagen, hat die Bundesregierung bereits seit dem Jahr 2009 die Möglichkeit der sogenannten Investitionskontrolle.

Dass Investitionen aus dem Ausland seitens des BMWi in bestimmten Fällen auch kritisch gesehen werden, zeigte sich öffentlich im Juli diesen Jahres, als das chinesische Staatsunternehmen State Grid Corporation of China einen 20-prozentigen Anteil am deutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz übernehmen wollte. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat in der Folge auf Drängen der Bundesregierung den 20-prozentigen Anteil an 50Hertz übernommen und so die Pläne der chinesischen Investoren durchkreuzt.

Darauf folgend wurde erstmalig ein Untersagungsvotum des BMWi auf Grundlage der AWV im Fall des beabsichtigten Erwerbs des westfälischen Unternehmens Leifeld Metal Spinning AG durch das französische Unternehmen Manoir Industries ausgesprochen, das zum geplanten Erwerbszeitpunkt von der chinesischen Yantai Taihai Corporation kontrolliert wurde.

Im Rahmen der noch im letzten Jahr erfolgten Verschärfung der AWV haben sich die Kontrollmöglichkeiten weiter gewandelt und stellen nun ein schärferes Schwert zur Überprüfung ausländischer Investitionen dar (vgl. insoweit schon unseren News Alert vom Dezember 2017). Damit soll kein neuer Protektionismus geschaffen werden. Ziel ist es vielmehr, so kürzlich Bundeswirtschaftsminister Altmaier, „[…] dass Unternehmen auch weiterhin in Deutschland investieren“. Die Bundesregierung behält sich lediglich in Ausnahmefällen ein Mitspracherecht vor. Wie dieses in der Praxis nunmehr gehandhabt wird, wird nachfolgend kurz beleuchtet.

Prüfungsregime der §§ 55-62 AWV
Zur Veranschaulichung der beiden oben angegebenen Fälle soll nachfolgend das Prüfungsregime der AWV nochmals kurz umrissen werden.

Unterschieden wird in den Regelungen der AWV zu Unternehmenserwerben zwischen der sektorübergreifenden Prüfung und der sektorspezifischen Prüfung, wobei letztere nur beim Erwerb spezifischer, besonders sicherheitsrelevanter Bereiche stattfindet.

In beiden Fällen sind sämtliche Entscheidungen des BMWi gegenüber dem Antragsteller als Verwaltungsakte zu qualifizieren, die ihrerseits vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit angegriffen werden können. Da keine Sonderzuständigkeit besteht, ist erstinstanzlich immer das Verwaltungsgericht Berlin zuständig.

Sektorübergreifende Prüfung:
Betroffen von der praxisrelevanteren sektorübergreifenden Investitionsprüfung sind Unternehmenskäufe durch Akteure mit Sitz im EU-Ausland bzw. außerhalb des EFTA Raums, die den Erwerb von mindestens 25 Prozent der Stimmrechte an einem deutschen Unternehmen zur Folge haben.

Prüfungsmaßstab des BMWi ist die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Eine solche Gefährdung kann beispielsweise nach § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AWV dann angenommen werden, wenn das deutsche Zielunternehmen Betreiber einer sog. „Kritischen Infrastruktur“ im Sinne des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG) ist. Darunter fallen beispielhaft die Sektoren Energie, Informationstechnologie und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung sowie das Finanz- und Versicherungswesen. Allein die Zugehörigkeit des Unternehmens zu einem dieser Bereiche ist jedoch nicht ausreichend. Die Einrichtungen müssen zudem wichtig für das Funktionieren des Gemeinwesens sein, so dass durch ihren Ausfall bzw. ihre Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden.

Nach § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 2-5 AWV bedarf es der Prüfung auch dann, wenn das Zielunternehmen Software für die oben genannten Bereiche herstellt.

Die durch die Neuregelung der AWV im Jahr 2017 angefügten Regelbeispiele des § 55 Abs.1 S. 2 AWV sollen den Terminus der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausfüllen und konkretisieren, ohne den Anwendungsbereich der Vorschrift zu weit auszudehnen. Zu beachten ist jedenfalls, dass die genannten Beispiele nicht abschließend sind. Dem BMWi verbleibt daher auch weiterhin ein breiter Beurteilungsspielraum.

Des Weiteren ist das BMWi nur dann prüfungsberechtigt, sofern der Erwerber seinen Sitz außerhalb der EU bzw. außerhalb des gleichgestellten EFTA Raums hat.

Die Prüfung findet auch statt, wenn der Erwerb von einem eigentlich unionsansässigen Akteur ausgeht, es jedoch Anzeichen für die Absicht der Umgehung der Prüfung gibt. Neu hierbei ist, dass die Umgehung der Prüfung nicht das einzige Motiv des Erwerbs sein muss, sondern lediglich auch gewollt ist. Als Anzeichen für ein solches Umgehungsgeschäft wird beispielsweise aufgeführt, dass der unmittelbare Erwerber bisher keiner nennenswerten Wirtschaftstätigkeit nachgeht beziehungsweise in der Europäischen Union (oder EFTA) keine auf Dauer angelegte Präsenz in Gestalt von Geschäftsräumen, Personal oder Ausrüstungsgegenständen unterhält.

Diese Regelung dürfte dazu führen, dass bei unionsansässigen Erwerbern eine Prüfung zunächst nur unter dem Punkt der Missbrauchskontrolle bzw. Umgehungskontrolle durchgeführt werden kann.

Zwar muss grundsätzlich auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes das BMWi die tatsächlichen Voraussetzungen, dass ein solches Missbrauchs- bzw. Umgehungsgeschäft vorliegt, eigenständig prüfen bzw. ermitteln.

Betrachtet man jedoch den eingangs bereits dargestellten Fall Leifeld Metal Spinning AG, zeigt sich, dass neuerdings entgegen dem Wortlaut der AWV nicht auszuschließen ist, dass auch auf die hinter dem eigentlichen (unionsansässigen) Erwerber stehenden unionsfremden Gesellschafter geblickt wird, sofern diese ihrerseits direkt oder indirekt mehr als 25% der Anteile an dem unionsansässigen Erwerber halten.

Neu eingeführt wurde auch eine Mitteilungspflicht durch die an der Transaktion beteiligten Parteien an das BMWi, soweit sich die Transaktion auf eine kritische Infrastruktur im oben beschriebenen Sinne bezieht. Kommen die Parteien ihrer Mitteilungspflicht nicht nach, so hat das BMWi die Möglichkeit, in einem Zeitrahmen von fünf Jahren das Geschäft zum Gegenstand einer Überprüfung zu machen. Nach Ablauf der Fünfjahresfrist ist eine Überprüfung nicht mehr möglich.

Erfolgt eine Mitteilung an das BMWi, besteht eine Aufgreifpflicht innerhalb von drei Monaten. Maßgeblich für den Fristbeginn ist insofern die Kenntniserlangung des BMWi vom Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages.

Die eigentliche Prüffrist wiederrum beträgt - nach Eingang der vollständigen Unterlagen - vier Monate.

Ergebnis der Prüfung kann entweder die Untersagung oder die Gestattung (evtl. mit Auflagen) sein.

Ein Weg, das langwierige Prüfverfahren zu vermeiden, ist der Antrag auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung. Das BMWi hat nach Stellung des Antrags nun (statt vormals einen Monat) zwei Monate Zeit, den Antrag zu prüfen. Unbenommen bleibt dem BMWi dabei, innerhalb der Zweimonatsfrist ein Prüfverfahren mit der oben angegebenen Frist einzuleiten. Die Ausdehnung dieser Frist ist aus Sicht der Transaktionspraxis unglücklich gewählt, da insofern kein Gleichlauf mehr mit der fusionskontrollrechtlichen Monatsfrist besteht.

Sofern innerhalb dieses zeitlichen Rahmens keine Entscheidung des BMWi erfolgt, tritt die Fiktion der Unbedenklichkeit ein.
Auch wenn es dem BMWi obliegt, innerhalb dieses Zeitraums eine Überprüfung mit der oben angegebenen Frist einzuleiten, erspart der Weg über den Antrag auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung zumindest die dreimonatige Aufgreifpflicht.

Demnach stellt der Antrag auf Unbedenklichkeitsbescheinigung eine praxisrelevante Möglichkeit dar, eine etwas schnellere und rechtssichere Entscheidung herbeizuführen.

Sektorspezifische Prüfung
Die sektorspezifische Prüfung folgt dem gleichen Muster wie die sektorübergreifende Prüfung.

Der sachliche Anwendungsbereich der sektorspezifischen Prüfung ist im Gegensatz zur sektorübergreifenden Prüfung abschließend in der AWV geregelt. Betroffen hiervon sind maßgeblich Unternehmen in den Bereichen der Herstellung von Kriegswaffen im Sinne des Teil B der Kriegswaffenliste, von Motoren oder Getrieben zum Antrieb von Kampfpanzern bzw. anderen gepanzerten militärischen Kettenfahrzeugen oder der Herstellung von Produkten bzw. Komponenten mit IT-Sicherheitsfunktionen. Erweitert durch die Neuregelung wurde der Anwendungsbereich um bestimmte Güter aus Teil 1 Abschnitt A der Ausfuhrliste.

Betroffen von der sektorspezifischen Prüfung sind nicht nur Unionsfremde und Nichtmitglieder der EFTA, sondern alle Ausländer - also auch Unionsansässige.

Zu möglichen Umgehungsgeschäften gilt das oben Ausgeführte.

Daneben gilt auch hier wieder eine dreimonatige Aufgreifpflicht, sofern der Mitteilungspflicht durch den unmittelbaren Erwerber nachgekommen worden ist. Im Unterschied zur sektorübergreifenden Prüfung gibt es jedoch hier keine Höchstfrist, nach deren Ablauf eine Überprüfung durch das BMWi ausgeschlossen ist.

Bezüglich der Prüffrist ergeben sich keine Abweichungen zu den obigen Ausführungen.

Praktische Auswirkungen
Welche praktischen Auswirkungen die Regelungen auf Transaktionen entfalten, lässt sich sehr gut an den eingangs erwähnten Beispielsfällen aufzeigen.

Durch die Verhinderung des Erwerbs einer 20-Prozent Beteiligung an 50Hertz durch die KfW auf Druck der Bundesregierung ist erstmals ersichtlich geworden, dass nunmehr ein Instrument geschaffen wurde, um beim Verkauf von Schlüsseltechnologien beziehungsweise einer hier kritischen Infrastruktur staatlichen Einfluss auf die beabsichtigte Anteilseignerstruktur nehmen zu können.

Zwar war in diesem konkreten Fall keine Maßnahme auf Grundlage der AWV seitens des BMWi möglich, da die Beteiligungsschwelle von 25-Prozent nicht erreicht wurde, jedoch offenbart sich auch in diesem Fall das Interesse der Bundesregierung, Investitionen aus dem Ausland unter sicherheitspolitischen Erwägungen zu überprüfen.

Der erste direkte Anwendungsfall der Regelungen der AWV zeigte sich nur wenig später beim beabsichtigten Erwerb des westfälischen Unternehmens Leifeld Metal Spinning AG durch die Yantai Taihai Corporation.

Offensichtlich wird in diesem Fall, dass die AWV auch als politisches Instrument verstanden wird.

Die chinesischen Investoren hatten bereits vor der zu erwartenden formalen Untersagung des Erwerbs durch das BMWi ihre Kaufabsicht aufgegeben und ihren Antrag auf Unbedenklichkeitsbescheinigung zurückgezogen, so dass eine Untersagung durch das BMWi de facto nicht mehr erforderlich war. Nichtsdestotrotz erging im Nachgang ein Untersagungsvotum durch das BMWi.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die verschärften Regelungen der AWV in der Praxis Anwendung finden. Insbesondere die neu statuierte Mitteilungspflicht beim Erwerb von mindestens 25-Prozent der Stimmrechte im Bereich einer kritischen Infrastruktur führt dazu, dass das BMWi schon früh über geplante Investitionen informiert wird. Ein Missachten der Mitteilungspflicht wird kaum zu erwarten sein, da ansonsten die fünfjährige Aufgreifpflicht für die Prüfung eingreift. Das Risiko der nachträglichen Untersagung durch das BMWi wird ein Investor nur selten eingehen.

Fazit/Ausblick
Wenn man den Blick auf die Zukunft lenkt, wird deutlich, dass auch künftig - das Vorliegen der vorgenannten spezifischen Voraussetzungen unterstellt - mit Entscheidungen gegen ausländische Investitionen zu rechnen ist. Deutlich wird dies durch eine angekündigte weitere Verschärfung der Regelungen der AWV. So soll die Eingriffsschwelle für die Einleitung eines Prüfverfahrens zeitnah von 25-Prozent der Stimmrechte auf 15-Prozent abgesenkt werden.

Dass Deutschland mit einer weiteren Verschärfung der Investitionskontrolle nicht alleine steht, zeigt sich daran, dass auch Frankreich, Großbritannien und die USA weitere Verschärfungen ihrer existierenden Regelungen planen oder bereits umgesetzt haben. Daneben gibt es Bestrebungen auf europäischer Ebene, einen Rechtsrahmen für die Kontrolle von Auslandsinvestitionen, insbesondere in den Bereichen kritische Infrastrukturen und sensible Technologien, zu schaffen.

So ist in den USA die Untersagung bereits mit dem schlichten Verweis auf nationale Sicherheitsinteressen möglich; das potenzielle Anwendungsspektrum der Investitionskontrolle ist dort mithin noch viel weiter. Durch eine neuerliche Anpassung der anzuwendenden Regelungen können mittlerweile sogar Minderheitsbeteiligungen jedweder Form einschließlich Beteiligungen über ausländische Risikokapitalfonds von ausländischen Investoren an US-Firmen überprüft werden.

Die Transaktionspraxis muss sich dabei bis auf weiteres damit abfinden, dass durch die im Einzelfall durchzuführende Investitionsprüfung ein großzügigerer Zeitplan für geplante Investitionen zu Grunde zu legen ist. Um die schon allein daraus resultierende Rechtsunsicherheit aufzuwiegen, wäre es sinnvoll, die Entscheidungen des BMWi, welche derzeit nicht öffentlich verfügbar sind, insgesamt transparenter zu gestalten. Helfen könnten dabei insbesondere Leitlinien zur Auslegung bestimmter Begriffe oder der Handhabung von Fristen.

Um die Risiken und auch die zeitliche Verzögerung so gering wie möglich zu halten, ist dringend anzuraten, bei betroffenen Transaktionen einen Antrag auf Unbedenklichkeitsbescheinigung zu stellen und im anschließenden Verfahren so transparent wie möglich aufzutreten.

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